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Ostia Antica: Die Kampagne 1998

   
  3. Geophysikalische Prospektionskampagne
 
arbeiten
und
ergebnisse

 

Im Juni 1998 wurde eine dritte geophysikalische Prospektionskampagne durchgeführt. In 6 Arbeitstagen konnten unter Verwendung des bereits bewährten Caesium-Magnetometers die noch verbliebenen Areale westlich des Theaters, sowie in der Regio V die Insulae XII und XIII prospektiert werden. Zusätzlich wurde im Südosten der Regio V das Gebiet um die mutmassliche konstantinische Bischofskirche einer grossräumigen elektrischen Widerstandsmessung unterzogen, wodurch sich weitere Aufschlüsse, insbesondere zur nördlichen Nachbarbebauung der Kirche ergaben (Abb.: Elektrische Widerstandsmessung im Bereich der Bischofskirche).

Elektrische Widerstandsmessung
Elektrische Widerstandsmessung
im Bereich der Bischofskirche
teilnehmer M. Heinzelmann (Projektleitung), H. Becker (Landesamt für Denkmalpflege Bayern; geophysikalische Prospektionen); M. Stephani, R. Brandt (Lehrstuhl für Photogrammetrie und Fernerkundung der Technischen Universität München); studentische Hilfskräfte: M. Meyr, B. Streubel.
1. Grabungskampagne

Im Herbst konnte dank einer Unterstützung durch die Fritz Thyssen Stiftung eine erste, insgesamt sechswöchige Grabungskampagne (27.9.-7.11.) im Bereich der 1996 entdeckten frühchristlichen Basilika im Südosten der Regio V durchgeführt werden. Hauptziele bildeten die Klärung der Datierung des Kirchenkomplexes und des darunterliegenden Vorgängerbaus sowie ihres baulichen Verhältnisses zueinander. Ferner sollten einige Fragen zur Anlage der Basilika, welche die Prospektionen offen gelassen hatten, untersucht werden. Insgesamt konnten auf der Basis der zur Verfügung stehenden geophysikalischen Prospektionen und Luftbilder sechs flächenmässig eng begrenzte stratigraphische Sondagen an besonders aussagekräftigen Punkten der Kirche und des Atriums durchgeführt werden.

(Abb.: Basilika und Vorgängerbau, Magnetogramm, Abb.: Basilika und Vorgängerbau, Elektrische Widerstandsmessung, Abb.: Basilika und Vorgängerbau, Luftbild, Abb. Basilika und Vorgängerbau, kombinierte Auswertung und Sondagen)

Sondage 4 mit Basis der südlichen Stützenwand
Sondage 4 mit Basis der südlichen Stützenwand 
Basilika: Als wichtigstes Ergebnis erbrachten die Untersuchungen eine sichere Datierung der Basilika in das frühe 4. Jh.n.Chr., so dass die bereits vermutete Identifizierung mit der konstantinischen Kirchenstiftung nun auch eine archäologische Bestätigung findet. Ferner konnten trotz eines verhältnismässig schlechten Gesamterhaltungszustandes wichtige Hinweise zum ursprünglichen Aussehen der Kirche gewonnen werden. So ermöglichte u.a. der Fund einer noch in situ befindlichen Säulenbasis die Rekonstruktion der Stützenform und –abstände (Abb.: Sondage 4 mit Basis der südlichen Stützenwand, Abb.: Rekonstruierender Längsschnitt).

Wichtige Indizien ergaben sich auch für die westliche Eingangssituation der Kirche, welche offenbar aus einem Triforium bestand. Hingegen erwies sich der Apsisbereich als so stark zerstört, dass hier keinerlei Aussagen zur ursprünglichen Gestaltung des Altarbereichs der Kirche mehr möglich waren. Interessante Hinweise ergaben sich hingegen hinsichtlich der Benutzungsdauer. So erfolgten Umbaumassnahmen im frühen 5. Jh.n.Chr., in deren Zusammenhang auch ein neuer, noch teilweise erhaltener schwarz-weisser Mosaikfussboden eingebracht wurde (Abb.: Mosaik). Im frühen 7. Jh.n.Chr. zwang offenbar ein Einsturz der Apsis zu umfangreichen Reparaturmassnahmen. Spätestens ab dem 5. Jh. wurde die Kirche zudem als Bestattungsplatz genutzt, wie der Fund eines wiederverwendeten Riefelsarkophags severischer Zeit belegte (Abb.: Sarkophag). Die endgültige Zerstörung der Kirche, welche offenbar systematisch ihrer Ausstattung und Marmordekoration beraubt worden war, erfolgte im frühen 9. Jh.

Vorgängerbau: Die durchgeführten Sondagen ergaben ferner, dass der kaiserzeitliche Vorgängerbau in Form einer ungewöhnlich grossen Wohninsula des mittleren 2. Jhs.n.Chr. bei der Anlage der Kirche vollständig abgerissen und systematisch spoliiert sowie eine aufwendige Einplanierung des Bauplatzes auf höherem Niveau durchgeführt worden war. überraschenderweise zeigte sich, dass nur einige wenige Mauerpartien dieses älteren Baus als Fundament weiterverwendet, häufiger jedoch gänzlich neue Fundamentierungen angelegt worden waren. Auch dies ist neben der Grösse der Basilika ein Hinweis auf den herausragenden Anspruch dieses Kirchenbaus, da - anders beispielsweise als bei der jüngst gefundenen Bischofskirche von Portus - auf die wesentlich kostengünstigere Wiederverwendung älterer Baustrukturen verzichtet wurde. Eine Sondage im Westen des Kirchenkomplexes zeigte zudem, dass zwischen der Strasse und dem Atrium ein kleiner gepflasterter Vorplatz angelegt und somit ein neuer urbanistischer Akzent geschaffen worden war.

Spätere Besiedlungsphasen: Besonders ergiebig waren die Sondagen auch im Hinblick auf die Frage der späten Entwicklungsgeschichte dieses Stadtviertels. So konnte festgestellt werden, dass sich ab dem 6. Jh.n.Chr. im unmittelbaren Umfeld der Kirche verschiedene primitive Wohnstrukturen und Grubenhäuser angesiedelt haben, welche wenigstens bis ins 7. Jh. Bestand hatten. Eines dieser Häuser, vermutlich des 6. Jhs., war hierbei im Atriumsumgang angelegt worden, was belegt, dass die Unterhaltung des gesamten Kirchenkomplexes in diesem Zeitraum offenbar nicht mehr möglich war und die Westteile aufgeben wurden; die zeitgleichen Reparaturmassnahmen in der Apsis zeigen hingegen, dass die östlichen Bereiche der Kirche noch länger genutzt wurden. Die durchgeführten Sondagen konnten somit auch einen wichtigen Beitrag zum Verständnis für die Entwicklung Ostias am übergang von der Spätantike zum frühen Mittelalter leisten, das bislang nur auf einigen wenigen Befunden beruht. Sie sind ein weiteres Indiz dafür, dass die Stadt nach einer offenbar einschneidenden Krise des 5. Jhs., welche durch die Barbareneinfälle mitverursacht wurde, nicht vollständig aufgegeben worden war, sondern - wenn auch in bescheidenerer Form - wesentlich länger besiedelt blieb. Da allerdings in diesem Zeitraum in verschiedenen Bereichen des Stadtzentrums, so z.B. um die Piazzale delle Corporazioni, Zonen der Auflassung und der Nutzung für Bestattungen feststellbar sind, erscheint es möglich, dass sich die Besiedlung auf mehrere inselartige Bereiche zurückzog, von denen ein Kristallisationszentrum in der noch immer in reduzierter Form in Nutzung befindlichen konstantinischen Bischofskirche bestanden haben könnte. Die ehemals zusammenhängende Stadtstruktur hätte sich demnach weitgehend aufgelöst und zu einer eher lockeren Ansiedlung mit grösseren Freiräumen zurückgebildet. Spätestens in karolingischer Zeit erstarb jedoch auch dieses Leben und mit ihm die ehemalige Bischofskirche.

Basilika und Vorgängerbau, Magnetogramm
Basilika und Vorgängerbau,
Magnetogramm

Basilika und Vorgängerbau, Elektrische Widerstandsmessung
Basilika und Vorgängerbau,
Elektrische Widerstandsmessung

Basilika und Vorgängerbau, Luftbild
Basilika und Vorgängerbau,
Luftbild

Basilika und Vorgängerbau, kombinierte Auswertung und Sondagen
Basilika und Vorgängerbau,
kombinierte Auswertung und
Sondagen

 
Rekonstruierender Längsschnitt
Rekonstruierender Längsschnitt

Mosaik
Mosaik

Sarkophag
Sarkophag

teilnehmer

: M. Heinzelmann (Projektleitung); F.A. Bauer (Basilika); A. Schaub (Grabungstechnik); A. Martin (Fundbearbeitung); C. Colletti (Grobkeramik); E. Spagnoli (Numismatik); I. Reindell (Restaurierung); B. Bacchelli (Keramikzeichnung); ferner L. Bottiglieri, A. Colantoni, P. Colonna, A. Colonnelli, G. de Fabiis, D. Heinzelmann, M. Jansen, L. Kerr, W. Loerts, L. Lorio, M. Meyr, L. Nicotra, A. Schaub, B. Streubl. M. Stephani und R. Brandt (beide Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung der Technischen Universität München) ist für die Vorbereitung des Messnetzes zu danken.

 literatur Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Römische Abteilung 106, 1999, 289 ff.; Journal of Roman Archaeology 1999, 342 ff.; MAAR 45, 2000 (im Druck).