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Ostia Antica: Die Kampagne 1999

   
  2. Grabungskampagne
 
 arbeiten
und ergebnisse

Im Herbst 1999 wurde mit Hilfe eines gut 30-köpfigen deutsch-italienischen Teams in einer zweimonatigen Hauptkampagne sowie einer zweiwöchigen Nachgrabung im Dezember die Regio V mit 14 weiteren Sondagen untersucht (Abb.: Untersuchungsareal 1999 mit Angabe der Sondagen). Aus organisatorischer Sicht ergaben sich im Vergleich zur ersten Kampagne einige Veränderungen. Für die Dauer des Projektes ist nunmehr im Rahmen eines offiziellen Kooperationsabkommens die American Academy in Rome unter Leitung von A. Martin für die Fundbearbeitung verantwortlich. Ferner wurde die gesamte Dokumentation und Keramikerfassung auf eine von M. Langner entworfene, computergestützte Datenbank auf Filemaker-Basis umgestellt. Diese ermöglicht nicht nur eine unmittelbare Erfassung der Befunde mittels tragbarer Computer auf der Grabung, sondern auch die Verwaltung aller Bilddaten sowie der Keramik- und Kleinfundauswertung mit komplexen Abfragemöglichkeiten. 
 

Untersuchungsareal 1999 mit Angabe der Sondagen
Untersuchungsareal 1999 mit 
Angabe der Sondagen
 

Konstantinische Bischofskirche und Vorgängerbauten (So. 7-9): Im Bereich der frühchristlichen Basilika wurden mit drei weiteren Sondagen der Atriumsbereich, der Haupteingang der Kirche und besonders ein Baptisteriumsanbau auf der Südseite des Atriums untersucht (Abb.: Basilika mit Sondagen). Letzterer erwies sich als eine einfache rechteckige Taufkapelle mit hufeisenbogiger Apsis im Osten, die nachträglich zwischen die südliche Aussenmauer des Atriums und einen südlich gelegenen Baukomplex eingefügt wurde. Im Westen der Kapelle fand sich ein kreisrundes, ursprünglich marmorverkleidetes Taufbecken (Dm ca. 2 m). Eine in Versturzlage aufgefundene Säule sowie Reste einer kleinen Gewölbekuppel desselben Durchmessers wie das Taufbecken könnten auf eine entsprechende Ziboriumsanlage hinweisen (Abb.: Taufbecken). Während für die Datierung dieses sicher nicht zur ursprünglichen konstantinischen Anlage gehörigen Baptisteriums noch die Auswertung der Keramik abgewartet werden muss, ergaben sich für die unter der Basilika liegende Insula Belege für eine hadrianische Entstehung. überraschenderweise fanden sich zudem auf einem nochmals 1 m tiefer liegenden Niveau Reste eines weiteren Vorgängerbaus aus augusteischer Zeit. Auch wenn dessen Form nicht genau bestimmt werden kann, ist er doch für die Besiedlungsgeschichte dieses Bereichs von einiger Bedeutung, da man bisher von einer wesentlich späteren Bebauung dieses peripheren Stadtgebietes ausgegangen war.
 

Basilika mit Sondagen
Basilika mit Sondagen

Taufbecken
Taufbecken

Sondage 10, Profilzeichnung
Sondage 10, Profilzeichnung

Stadtmauer (So. 10): Südlich der Basilika konnte die in ihrer Datierung noch immer umstrittene Stadtmauer untersucht werden. Es zeigte sich, dass die Mauer an dieser Stelle noch 4,50 m hoch erhalten ist (Abb.: Sondage 10, Profilzeichnung). In den datierenden Schichten der Mauer befand sich zwar nicht genügend keramisches Material, um eine sichere zeitliche Eingrenzung zu ermöglichen, doch fand sich ca. 20 cm über dem zur Stadtmauer gehörenden Laufhorizont ein weiterer Nutzungshorizont, der aufgrund der zahlreich gefundenen Sigillata sicher aus frühaugusteischer Zeit stammt. Die Mauer scheint also einige Zeit vor Augustus entstanden zu sein, wobei der verhältnismässig geringe Geländeanstieg, der zwischen beiden Nutzungsniveaus liegt, kaum für eine Entstehung in sullanischer Zeit spricht. Vielmehr gewinnt die jüngst von Fausto Zevi vorgeschlagene Datierung kurz vor die Mitte des 1. Jhs.v.Chr. weiter an Wahrscheinlichkeit. Mit derselben Sondage konnte auch eine unmittelbar vor der Mauer entlang führende Strasse mit Grabbauten geschnitten werden. Es zeigte sich eine komplexe stratigraphische Abfolge, die eine Nutzung und kontinuierliche Erneuerung der Strasse von der frühesten Kaiserzeit bis ins 7. Jh. belegte.
 

 
 
Spätantike Torerneuerung
Spätantike Torerneuerung mit 
Schwelle aus Spolien

Tor der Via del Sabazeo (So. 11): In einer weiteren Sondage wurde die Torsituation der Via del Sabazeo untersucht, welche als eine der Haupterschliessungsstrassen der Regio V die Stadt nach Süden verlässt. Es zeigte sich, dass an dieser Stelle ursprünglich kein Tor existierte. Vielmehr wurde erst in der frühen Kaiserzeit ein nachträglicher Mauerdurchbruch geschaffen. Die Entstehung dieses Tores wie auch der Via del Sabazeo selbst ist daher wohl mit der im Verhältnis zum Stadtmauerbau zeitlich verzögerten Besiedlung der Regio V zu erklären. Sehr überraschend fanden sich jedoch, abgesehen von verschiedenen Strassenerneuerungsphasen, umfangreiche Reste einer spätantiken, ganz aus Spolien bestehenden Toranlage mit Ansätzen einer zugehörigen Mauer, die wiederum auf dem gekappten Stumpf der spätrepublikanischen Stadtmauer fundamentiert (Abb.: Spätantike Torerneuerung mit Schwelle aus Spolien). Die Münz- und Keramikauswertung weist auf das späte 3. Jh.n.Chr., möglicherweise konkret auf die aurelianische Zeit hin. Es handelt sich hierbei um die ersten Indizien überhaupt, die die Existenz einer spätantiken Verteidigungsanlage in Ostia belegen. Zusammen mit der grossen Kirchenanlage verdichten sich somit zunehmend Hinweise, dass in Ostia im 4. Jh. durchaus noch umfangreiche städtebauliche Massnahmen durchgeführt wurden. Dies wiederum verändert die Bewertung des Verhältnis von Portus und Ostia in diesem Zeitraum.
 

 
Via del Sabazeo, Profilzeichnung
Via del Sabazeo, Profilzeichnung

Strassensondagen (So. 10, 11, 12, 16): Im Innern der Regio V konnte die Stratigraphie mehrerer Strassen untersucht werden. Diese sind insofern von grosser Bedeutung für urbanistische Fragestellungen, da ihre verschiedenen Erneuerungsphasen getreu die Anhebungen der Geländeniveaus beiderseits der Strasse widerspiegeln. Beispielsweise zeigte sich für die Via del Sabazeo, dass sie noch bis zur Mitte des 7. Jhs. intensiv frequentiert wurde, was wiederum mit der letzten Renovierungsphase der Basilika sowie den spätesten Siedlungsspuren im Umkreis der Kirche übereinstimmt (Abb.: Via del Sabazeo, Profilzeichnung). Interessanterweise liegen die letzten Strassenhorizonte der Via del Sabazeo jedoch bereits über den eingestürzten Mauern einer Insula des späten 2. Jhs. Es verdichtet sich demnach das bereits letztjährig gewonnene Bild, dass Teile des Stadtgebietes im frühen Mittelalter offengelassen wurden und die Besiedlung sich auf einzelne Inseln zurückzog.
 

 
Domus (So. 13, 14): Die wichtigsten Befunde der Kampagne '99 ergaben sich jedoch in einem grossen Wohnhaus im Westen der Regio V, dessen Grundriss durch ein Luftbild gesichert ist und das nunmehr mit zwei Sondagen im Haupttriclinium und im Peristyl untersucht werden konnte (Abb.: Luftbild Domus Regio V,  Abb.: Grundriss der Domus aus Luftbild und Prospektionen). Es handelt sich um eine grosse, annähernd quadratische domus (ca. 60 x 70 m), die sich mit zahlreichen Räumen und einigen Annexbauten um ein grosses Peristyl konstituiert.
Die Sondagen ergaben, dass das ungewöhnlich grosse Gebäude bereits um die Wende vom 1. zum 2. Jh.n.Chr. entstanden ist und mit reichen opus sectile-Böden und Malereien des späten 4. Stils ausgestattet war (Abb.: Wandverputz des späten 4. Stils). Dieser Befund ist für die ostiensische Forschung von grösster Bedeutung, handelt es sich doch um die erste bislang nachweisbare domus dieses Zeitraums in Ostia, für den bislang ausschliesslich mehrstöckige Insulae im Stadtzentrum bekannt waren. Ferner zeigte sich, dass das Haus offenbar kontinuierlich bis in die Spätantike in Benutzung war und nach einem Brand um 350 n.Chr. noch einmal instand gesetzt wurde. Wie bei der Basilika ergaben auch hier die Sondagen eine ältere Besiedlungsphase augusteischer Zeit, was erneut die offenbar flächendeckende Besiedlung der Regio V bereits in diesem Zeitraum belegt.
 
Luftbild Domus Regio V
Luftbild Domus Regio V

Grundriss der Domus
Grundriss der Domus aus Luftbild
und Prospektionen

teilnehmer M. Heinzelmann (Projektleitung), A. Martin (Leitung Fundbearbeitung), F.A. Bauer (Basilika), N. Fenn (Keramik), E. Spagnolis (Numismatik), S. Mols (Wandmalerei), I. Reindell (Restaurierung), M. Langner (Datenbank), Ch. Müller (Geodäsie, AutoCAD), R. Rosenbauer (Fotografie, Datenverarbeitung), A. Colantoni, A. Colonelli, A. Gatzen, M. Jansen, W. Loerts, B. Streubel, Ph. Schmitt (Schnittleitung), P. Andreocci, D. Ariya, A. Bredthauer, S. de Angelis, S. Keller, M. Knauer, Ch. Lammertz, M. Liberali, L. Lorio, A. Monchieri, St. Pancotti, E. Patriarca, B. Roggio, R. Schmidt, P. Sozio, S. Stevens, St. Valtin, R. Wenz, B. Zierl (studentische Grabungshilfskräfte).
 literatur Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Römische Abteilung 107, 2000 (im Druck)