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Ostia Antica: Die Kampagne 2001

   
arbeiten
und
ergebnisse
Keramikaufarbeitungskampagne
Vom 9.-21.4.2001 fand an der American Academy bzw. im Depot der Soprintendenza di Ostia eine zweiwöchige Keramikaufarbeitungskampagne statt. Hierbei konnten grosse Teile der letztjährigen Befunde aufgearbeitet werden.
teilnehmer A. Martin (Leitung), N. Fenn, C. Bodinek, E. De Sena

Kamelknochen aus Sondage 29
Kamelknochen aus Sondage 29

Archäozoologische Untersuchungen
Im Frühjahr 2001 wurden von M. McKinnon (Universität Winnipeg) sämtliche bislang in den Grabungen freigelegte Tierknochen, insgesamt ca. 10.000 Fragmente, archäozoologisch untersucht. Die Analysen geben Aufschluss über die Entwicklung der Ernährungssituation Ostias vom 1. Jh.v.Chr. bis ins 7. Jh.n.Chr. Zudem konnten interessante Detailbeobachtungen, z.B. der erste Nachweis von Kamelen, gemacht werden, welche offenbar in der Hohen Kaiserzeit als Transporttiere Verwendung fanden. 
(Abb.: Kamelknochen aus Sondage 29)
 

4. Geophysikalische Prospektionskampagne
Vom 4.11. bis 22.12. fand eine letzte geophysikalische Prospektionskampagne statt. Hierbei wurden verschiedene Restzonen im Innern des Stadtgebietes, sowie grössere Areale an der nördlichen und südlichen Peripherie mittels magnetometrischer Prospektionen untersucht.

teilnehmer K. Strutt (Geophysik), R. Rosenbauer (Vermessung), L. Lorio, M. Mirold, A. Colantoni

4. Grabungskampagne
Vom 27.8. bis 13.10. fand die vierte und letzte, insgesamt 7-wöchige Grabungskampagne statt. Die Arbeiten konzentrierten sich auf zwei Bereiche: den bereits letztjährig ansatzweise erfassten Baukomplex der Navalia mit einem Hafentempel sowie eine grosse Villa suburbana im Bereich der Regio IV.
 
Plan Regio III
Plan Regio III
Navalia und Hafentempel (So. 21, 33): Im vergangenen Jahr konnte im Norden der Regio III die Existenz eines Flusshafenbeckens sowie eines östlich daran anschliessenden Baukomplexes, den mutmasslichen Navalia, nachgewiesen werden. Dieser insgesamt stark zerstörte Gebäudekomplex wurde in diesem Jahr mit mehreren Schnitten untersucht bzw. die bereits im 19. Jh. freigelegten Teile einer umfassenden Reinigung und Dokumentation unterzogen (Abb.: Plan Regio III, Abb.: Plan Navalia). 
Plan Navalia 
Es bestätigten sich hierbei die letztjährigen Vermutungen. Der Komplex besteht aus zwei Teilen: einem zentralen Tempel über einer annähernd quadratischen, ca. 4,50 m über dem Niveau des Tibers gelegenen Plattform (70 x 65 m), die auf zahlreichen langgestreckten, gewölbten Kammern ruht. Letztere öffneten sich auf Wasserniveau zum Hafenbecken bzw. Tiber und verfügten im Innern über flache Rampen aus opus caementicium. Es kann kaum ein Zweifel bestehen, dass sie als Schiffshallen dienten. Zur Landseite lag das Nutzungsniveau der Gewölbekammern ca. 2 m höher; hier dienten sie als Tabernen. Genau im Zentrum der gesamten Anlage konnte das Fundament eines 19,50 x 10 m grossen Podientempels mitsamt verschiedener Architekturglieder freigelegt werden. Das Podium bestand aus zwei parallel gelagerten, ursprünglich überwölbten Kammern, die das Fussbodenniveau des Tempels ca. 2 m über das der Plattform heraushoben. Die genau auf die Tibermündung orientierte Tempelfront verfügte über vier kannelierte Säulen (Dm ca. 1,05 m) und erreichte einschliesslich des Giebels eine Höhe von ca. 20 m. Mehrere Fragmente der Cella-Wand zeigen, dass deren aufgehenden Teile massiv aus Marmor bestanden und aussen mit einer Pseudorustica-Quaderung und kannelierten Halbsäulen gegliedert waren. Vor der inneren Rückwand der Cella fand sich das Fundament des Podiums für die Kultstatue(n), welches mit 3,5 x 3,5 m auffallend gross ist. 
Rekonstruktionszeichnung Hafen-Navaliakomplex
Rekonstruktionszeichnung Hafen-Navaliakomplex
Mehrere Indizien weisen ferner darauf hin, dass der Tempel an den beiden Längsseiten und der östlichen Rückseite von einer dreiseitigen Portikus umfasst war, die zugleich die Aussenbegrenzung der Plattform bildete. Insgesamt muss die Anlage somit einen besonders prächtigen Effekt für alle in die Tibermündung einfahrenden bzw. im Hafen ankernden Schiffe geboten haben, während sie zur Stadt weitgehend abgeschlossen war (Abb.: Rekonstruktionszeichnung Hafen-Navaliakomplex).
Sowohl im Bereich der Schiffshallen, als auch am Tempelfundament lassen sich zwei Bauphasen feststellen: demnach scheint der Komplex in der frühen Kaiserzeit entstanden und unter Marc Aurel (Münzfunde) umfassend restauriert worden zu sein. Er lässt sich somit relativ sicher mit einer aus diesem Zeitraum stammenden Inschrift (CIL XIV 376) verbinden, die u.a. von der Restaurierung der Navalia und einem Castor- und Pollux-Tempel berichtet. Für eine solche Identifizierung könnte auch die offenbar enge Beziehung des Tempels zur Schiffahrt und das für eine einzelne Kultstatue zu gross erscheinende Postament sprechen. Verschiedenen Schriftquellen zufolge fanden zu diesem Tempel bis ins 5. Jh.n.Chr. jährliche Prozessionen aus Rom statt, um für günstige Schiffahrtsverhältnisse zu bitten.
 
Villa suburbana (So. 34-37): Mit vier weiteren stratigraphischen Sondagen wurde im südlichen Teil der Regio IV eine grosse Villenanlage untersucht, die sich zwischen der Stadtmauer und dem ehemaligem Meeresufer erstreckt (Abb.: Regio IV, Villa suburbana,  Abb.: Grundriss Villa mit Sondagen).
Grundriss Villa mit Sondagen
Grundriss Villa mit Sondagen
Regio IV, Villa suburbana
Regio IV, Villa suburbana 
Sie verfügt von Nord nach Süd über einen grossen Wohnblock, ein annähernd quadratisches Peristyl und ein parallel zum Strand orientiertes Gartenstadion von ca. 120 m Länge. An dessen Ostseite befindet sich eine mit Mosaiken, Fresken und opus sectile dekorierte Pavillonarchitektur, die mit einer Sondage (So. 34) untersucht wurde. Die Villa entstand um 60-80 n.Chr., erfuhr Umbauten und Neudekorationen im 2. Jh. und wurde am Ende des 3. Jhs., möglicherweise infolge eines Erdbebens, vollständig zerstört. Drei nachfolgende Besiedlungsphasen des 4. und 5. Jhs. nahmen keinerlei Rücksicht mehr auf die älteren Villenstrukturen. Diese ursprünglich am Rande der Stadt gelegene suburbane Villa bildete die erste in einer lückenlosen Reihe von Meervillen, die von hier über viele Kilometer nach Süden reicht. Anders als diese Villen wurde sie jedoch im Gefolge des Baubooms des 2. Jh. vollständig von der städtischen Bebauung umfasst und so in das Stadtgebiet integriert. Der Bau bildet einen weiteren wichtigen Beleg für die Existenz reicher Häuser an der Stadtperipherie, ähnlich den in den vergangenen Kampagnen nachgewiesenen Domus der Regio III und V.
 
 teilnehmer M. Heinzelmann (Projektleitung), A. Martin (Leitung Fundbearbeitung), E. De Sena, R. Donnarumma, N. Fenn, C. Imperatore, N. Tarantino (Keramik), E. Spagnolis (Numismatik), I. Reindell (Restaurierung Metall), M. Tranchida (Restaurierung Wandverputz), M. Stephani (Geodäsie), R. Rosenbauer (Fotografie, Vermessung, AutoCAD), J. Dreissig (Informatik), A. Colantoni, M. Jansen, L. Lorio, B. Streubel, A. Torresi, J. Wininger (Schnittleitung), E. Barletta, A. Bredthauer, V. Capobiancho, M. Cullmann, F. Giovannetti, M. Gordini, V. Iacomi, A. Kirschfink, M. Liberali, M. Mirold, E. Moltini, E. Mostacci, V. Musella, L. Nicotra, S. Piccirilli, F. Quattrone, B. Roggio, A. Sieben, C. Wawrizinek, T. Zimmer (studentische Grabungshilfskräfte). F. Galadini (CNR Rom) ist für seismologische Beratung zu danken.
 
 literatur Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Römische Abteilung 109, 2002 (im Druck)